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1. Weltkrieg: Machtverteilung und Bündnisse
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Wie nennt man eine Gruppe aus mehreren Parteien, die im Falle eines Konflikts zusammenhalten wollen?
Stell dir Folgendes vor: zwei Mafiabanden in einer Stadt. Beide Banden sind gleich stark, denn sie haben gleich viele Mitglieder. Also haben sie die gleiche Macht. Eines Tages nimmt die rote Bande zwei neue Mitglieder auf. In der blauen Bande bleibt die Anzahl gleich.
Es fühlt sich für sie an, als hätten sie Macht an die andere Bande verloren, weil die nun mehr und stärker sind. Die blaue Bande fühlt sich bedroht. Sie müssen also etwas tun, um ihre Macht zurückzugewinnen - oder noch besser: Sie müssen mehr Macht als ihre Feinde gewinnen. Für sie gibt es nur eine Lösung: Sie müssen jetzt zuschlagen, bevor die andere Bande noch stärker wird. Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen der Erzählung dieser beiden Banden und den Gründen für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs: Der Erste Weltkrieg fand mitten in Europa und an vielen anderen Orten, zwischen 1914 und 1918, statt.
Er war einer der blutigsten Kriege in der Weltgeschichte. Die am Krieg beteiligten Länder fühlten sich voneinander bedroht. Sie wollten ihre eigene Macht schützen und gleichzeitig verhindern, dass die anderen Länder mehr Macht bekommen. Die Karte von Europa sah vor dem Ersten Weltkrieg ganz anders aus. Großbritannien, Frankreich und Russland hatten sich etwas versprochen: Wird ein Land in einen Krieg gezogen, dann nehmen die anderen Länder auch am Krieg teil und helfen dem Land.
Sie hatten also ein Bündnis geschlossen. Die Gegenseite hatte auch ein Bündnis: Zwischen Deutschland das damals ganz anders aussah und viel größer war als heute und einem großen Land südöstlich von Deutschland, das es heute nicht mehr gibt: Österreich-Ungarn. Dieses Land bestand nicht nur aus den heutigen Ländern Österreich und Ungarn, sondern auch aus den Teilen der heutigen Ländern Polen, Tschechien, Slowakei und Slowenien. Auch Italien war im Bündnis zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn. (Aber sie traten aus dem Bündnis aus, als der Krieg ausbrach.) Warum fühlten sich diese Länder voneinander bedroht? Deutschland war noch nicht lange ein eigenständiges Land, sondern hatte sich erst 1871 zu einem Land vereint.
Das Land entwickelte sich und wurde immer mächtiger. Sie bauten ihre Industrie auf, und so wie Frankreich und Großbritannien übernahmen die Deutschen jetzt auch Länder auf der ganzen Welt und machten sie zu Kolonien. Frankreich und Großbritannien hatten sich vorher bekriegt. Aber als Deutschland stärker wurde, fanden sie es sicherer zusammenzuhalten, denn Deutschland war für beide eine Gefahr. Außerdem wollte sich Frankreich rächen für die Niederlage gegen Deutschland im letzten Krieg von 1871.
Frankreich und Großbritannien wollten also Deutschlands Macht schwächen. Und Deutschland wollte seine Macht behalten und sogar noch mächtiger werden. Deutschland bat aus Angst seinen Verbündeten Österreich-Ungarn um Hilfe. Großbritannien und Frankreich schlossen aus Angst ein Bündnis mit Russland. Alle dachten, zusammen wären sie stärker als ihre verbündeten Feinde.
Auch in Osteuropa ging es beim Streit um Macht und um die Angst, diese gegen andere mächtige Länder zu verlieren. Österreich-Ungarn war eine geschwächte Supermacht, die sich von Russland immer mehr bedroht fühlte. 1909 eroberte Österreich-Ungarn Bosnien, um möglichst viele Gebiete des Balkans an sich zu reißen. Russland konnte das natürlich nicht zulassen! Die meisten Russen fühlten sich verbunden mit vielen, die in den Balkanländern lebten, weil sie zur gleichen Volksgruppe gehörten. Eins war aber noch wichtiger als diese Gemeinsamkeit: Russland wollte nicht riskieren, dass Österreich-Ungarn zu mächtig und gefährlich wird.
Jetzt schauen sich alle nervös in die Augen. Hm... Was, wenn das feindliche Bündnis mächtiger als wir wird und wir dann keine Chance mehr gegen sie haben? Ist es besser, jetzt – vorsorglich – zuzuschlagen, bevor die anderen Länder noch stärker werden? Die Lage ist angespannt.
Eine plötzliche Bewegung reicht schon, und es kann etwas Schlimmes passieren.