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Wie kann man eine demokratische Gesellschaft beeinflussen?
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Welche Methode der Einflussnahme auf die Gesellschaft ist am wirksamsten?
Hier ist eine kleine Nation, in der das Volk regiert – eine Demokratie. Eines Tages stimmen diese Menschen für ein neues Gesetz: Alle, die sieben Jahre oder älter sind, müssen arbeiten. Niemand darf faul sein, alle müssen eine Arbeit haben! Carol ist vierzehn und würde lieber zur Schule gehen. Sie findet das neue Gesetz ungerecht und würde es gerne abschaffen.
Aber sie ist noch nicht 18 und darf deshalb nicht wählen gehen. Was kann sie also tun? Gibt es in einer Demokratie noch andere Wege, die Gesellschaft zu beeinflussen als durch Wahlen? Ja! Auch wenn Carol selbst nicht wählen darf, kann sie andere beeinflussen, die dann wiederum das Gesetz abwählen.
Carol schreibt also einen Brief an alle Abgeordneten auf der Insel und erklärt, warum sie das Gesetz schlecht findet. Wenn Carol schon die Politiker beeinflusst, warum dann nicht auch alle anderen beeinflussen und ihr Denken – also die öffentliche Meinung? Carol stellt Plakate auf und organisiert eine Kundgebung. Dort hält sie eine mitreißende Rede, die alle restlos begeistert ... zumindest die einzelnen.
Jeden Tag aktualisiert Carol ihre Sozialen Netzwerke mit Nachrichten und neuen Argumenten. Sie nutzt Argumente, die auf Tatsachen beruhen aber auch Argumente, die das Herz berühren. Eines Tages schreibt Carol einen Kommentar in der größten Zeitung auf der Insel. Ihre Texte und Videos verbreiten sich in den Sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer. Die TV-Nachrichtensendungen zeigen Interviews mit ihr und man lädt sie zu Talkshows ein.
Jetzt hat sie auch die Aufmerksamkeit von denen, die das Gesetz behalten wollen – Carols Gegner. Der Manager des Bergwerks, in dem 7-Jährige arbeiten, würde viel Geld verlieren, wenn man das neue Gesetz aufhebt. Also bezahlt er eine Firma dafür, das Gleiche zu tun wie Carol – nur mit dem Ziel, das Gesetz zu verteidigen. Solche Firmen nennt man oft Lobbyisten und Leute wie Carol Aktivisten. Tatsächlich wollen sie aber das Gleiche: Einfluss auf die Entscheidungen in einer Demokratie, indem sie die Meinungen anderer beeinflussen.
Carol denkt, dass Lobbyisten einen unehrlichen Wahlkampf führen – mit irreführenden und einseitigen Informationen. Alles Propaganda, behauptet sie. Viele stimmen Carol zu und organisieren eine Demonstration. Sie marschieren auf der Hauptstraße mit Fahnen und Plakaten. So zeigen sie, dass sie viele sind und ihnen dieses Thema wichtig ist.
Die Polizei begleitet die Demonstranten – nicht um sie zu stoppen, sondern um ihr Demonstrationsrecht zu schützen. Das Recht, das zu tun, was Carol tut, ist durch die Verfassung geschützt. Und die Polizei muss dieses Recht verteidigen. Immer mehr Menschen auf der Insel fragen sich nun, ob es okay sei, Sachen zu kaufen, die Kinder herstellen. Manche finden das nicht gut und vermeiden - boykottieren- den Kauf solcher Waren.
Kaufboykott ist wirtschaftlicher Aktivismus. Er kann symbolisch gemeint sein oder direkt auf die Firmen wirken, deren Produkte man boykottiert. Einige wollen auch nur Carols Kundgebungen stören und ihre Unterstützer verjagen. Dieses Mal schreitet die Polizei ein. Jetzt sind die Lobbyisten zu weit gegangen.
Jeder darf für seine Sache eintreten, auch mit einer lauten Stimme. Aber niemand darf andere bedrohen oder Gewalt gegen sie anwenden. In der Zwischenzeit hat die Polizei auch Carol verhaftet. Weil sie sich weigert, zur Arbeit zu gehen und sich – aus Protest – vor die Schule setzt. Carol wendet zwar keine Gewalt an, aber sie bricht damit trotzdem das Gesetz.
Sie übt zivilen Ungehorsam aus. Es ist schwer zu sagen, wen sie mit ihren Aktionen tatsächlich beeinflusst. Ihr Einfluss auf die Inselbewohner ist jedenfalls groß genug: Die Politiker nehmen die Sache ernst und heben das Gesetz auf.